Logo Wagner'sche Buchhandlung

Kunden em pfehlungen

Rezensionen von nessabo:

Die Blumentöchter von Tessa Collins

Seichte, leicht zu lesende Geschichte mit wenig Tiefe

Erst einmal finde ich den Farbschnitt mit seinem perfekten Übergang vom Cover zur Seite richtig gut gelungen! Die Storyline mit den vielen Familienmitgliedern und dem angedeuteten Geheimnis hat mich auch interessiert - ich mag Familiengeschichten. Toll fand ich auch den Stammbaum am Anfang.

Insgesamt lässt sich der Roman extrem flüssig lesen.

Das halte ich für positiv, sehe jedoch auch, dass das zumindest für mich an der mangelnden Tiefe des Textes lag. Die Familienmitglieder wurden zu Beginn ein wenig hastig eingeführt und spielten dann keine große Rolle mehr. Das kam mir zu gewollt vor.
Auch mit Dalia wurde ich einfach nicht so recht warm. Ihre Gedanken und Gefühle kamen mir sehr repetitiv und nicht richtig glaubwürdig vor. Manchmal war ich davon regelrecht genervt. Alle anderen Charaktere sind auch eigentlich einfach nur nett. So sehr ich auch liebevolle Beziehungen in Geschichten mag, fehlten mir hier schlicht ambivalente Figuren.

Auch die eher unkritische Basis des Romans entspricht einfach nicht meinem persönlichen Geschmack. Es wird zumindest kurz auf die Armut Mexikos sowie die Unterschiede zwischen Weißen und Indigenen eingegangen, die Autorin schien aber auch kein Problem damit zu haben, die „bedeutsamen Werke der Kolonialkunst“ unkommentiert zu bewundern. Auch die extrem repetitiven Lobpreisungen der schönen Umgebung sowie des leckeren Essens waren für meinen Geschmack einfach zu viel.

Ich denke, für alle, die einen Roman ohne Überraschungen suchen, der z. B. im Urlaub problemlos weggelesen werden kann, ist das hier eine gute Wahl. Mich interessieren an sich auch die Geschichten der anderen Cousinen in den kommenden 4 Bänden. Weil mir der erste Band aber zu wenig Tiefe und Konsistenz hatte, werde ich sie wohl eher nicht lesen.

im Shop ansehen weitere Rezensionen von

Issa von Mahn, Mirrianne

Was für ein besonderes, emotionales und lehrreiches Buch!

In „Issa“ begleiten wir die gleichnamige Protagonistin in den frühen 2000ern parallel zu ihren Ahninnen - beginnend mit ihrer Ur-Ur-Großmutter Enanga etwa 100 Jahre zuvor. Issa ist am Anfang ihrer ersten Schwangerschaft und wird von ihrer Mutter quasi dazu genötigt, in die Heimat Kamerun zu fliegen und sich dort spirituellen Ritualen zum Schutz der Schwangeren sowie ihres Kindes zu unterziehen.

Dort trifft Issa auf ihre Großmutter Namondo und ihre Urgroßmutter Marijoh.

Mit Issas Figur wird eindrücklich der innere Schmerz einer Suche nach der eigenen Identität sowie das von außen zugefügte Leid in Form von Alltagsrassismus in Deutschland gezeichnet. Sie scheint zu weiß für Kamerun und zu Schwarz für Deutschland zu sein. Ihre Reise im Verlauf des Buches mitzuerleben und zu sehen, wie sie ihren Frieden findet, hat mich sehr berührt. Die Erfahrungen ihrer Ahninnen zentrieren sich vor allem um den deutschen Kolonialrassismus sowie das gewaltvolle Patriarchat zu ihren jeweiligen Zeiten, aber auch ganz besonders um weiblichen Widerstand in verschiedenen Formen.
Mirrianne Mahn schafft es auf eine bemerkenswerte Art, die Geschichten aller 5 Figuren miteinander zu verweben, denn schließlich sind sie auch tatsächlich verbunden. Die unbeschreiblichen Gewalterfahrungen von Enenga sowie deren Tochter Marijoh, deren Tochter Namondo und deren Tochter Ayudele (Issas Mutter) resultieren in Strenge und Gewalt, die an die jeweiligen Töchter weitergegeben wird. Die Autorin schafft es meiner Meinung nach an der Stelle geschickt, den Traumata zwar Raum zu geben, Gewalt gegenüber Kindern aber nicht zu beschönigen.

Große Pluspunkte sind für mich der Stammbaum sowie die Landkarte zur Region im Westen Kameruns, in der die Geschichte spielt. Mahn spielt auch mit einem Mix an Sprachen und flicht Worte aus verschiedenen lokalen Sprachen mit ein. Das finde ich einerseits spannend und wichtig, es reißt mich aber trotzdem immer etwas aus dem Lesefluss. Großes Lob daher hier auch für die Umsetzung - Worte, welche im Glossar erklärt werden, sind stets kursiv gedruckt. Dieses einfache Signal hat mir an der Stelle sehr geholfen.

Der Roman hat mir so viel Wissen vermittelt, das ich beschämenderweise nicht hatte. Er enthält vor allem in Issas Erzählperspektive einen angenehmen Humor und eine liebevolle Skepsis den schamanischen Ritualen gegenüber. Ich persönlich habe keinen Bezug zu Spiritualität, fand die Perspektiven darauf aber sehr bereichernd und ausgewogen. Von den Gewalterfahrungen und den deutschen Kolonialverbrechen zu lesen, tut wirklich weh und das sollte es auch. Gleichzeitig war es einfach nur wundervoll zu sehen, wie die Frauen dieser Geschichte miteinander verbunden sind und solidarisch über Generationen hinweg beieinander stehen - auf ganz verschiedenen Wegen. Manche Perspektiven hätten gerade zum Ende hin noch etwas detaillierter sein können, da ich die Figuren dahinter gern näher kennengelernt hätte. Der Punkt lässt sich in meinen Augen aber gut verschmerzen. Ein wirklich großartiges Debüt!

im Shop ansehen weitere Rezensionen von

Das Fenster zur Welt von Winman, Sarah

Leider viel zu langatmig mit zwar liebenswerten, aber irgendwie ausdruckslosen Charakteren

Ich habe das Buch ab der Hälfte nur noch quer gelesen - und ich kann an einer Hand abzählen, wie oft es mir schon so ergangen ist. Nach den ersten ca. 200 Seiten war ich auch ganz kurz davor, das Buch abzubrechen, weil ich mich so sehr gelangweilt habe, dass ich regelrecht wütend wurde. Die Handlung wurde dann für mich aber zumindest noch etwas interessant, sodass ich es gern beenden wollte.

Das ging für mich aus verschiedenen Gründen aber trotzdem nur noch mit Querlesen.

Zum einen finde ich das Buch sprachlich mehr als anstrengend. Diese poetische Sprache ist einfach gar nicht meins, aber auch abgesehen davon fand ich es schrecklich zu lesen. Gefühlt ewig währende Absätze, in denen die Perspektiven der Figuren ohne Vorwarnung einfach mittendrin wechseln?! Ein Hin und Her zwischen direkter und indirekter Rede - die Variante der englischen Originalausgabe, in der komplett auf direkte Rede verzichtet wurde, stelle ich mir noch furchtbarerer vor. Vielleicht liegt es an der Übersetzung, aber die Dialoge finde ich überwiegend schlecht geschrieben.
Zum anderen sind die Figuren zwar schon wirklich liebenswert, aber irgendwie total flach. Es wird zwar über ihre Gefühle und Gedanken geschrieben, aber es bleibt auf dieser Ebene und erreicht mich emotional einfach gar nicht. In der zweiten Hälfte konnte ich abschnittsweise bei all den Schicksalsschlägen auch mal was fühlen, aber das ist mir bei dem Seitenumfang wirklich zu wenig. Ich mochte wiederum, dass die Figuren über etliche Ecken miteinander verbunden waren. Das war durch den langatmigen Schreibstil, der mich an einem kontinuierlichen Lesen gehindert hat, aber oft schwer zu greifen. Ich musste dann einige Male zurückblättern, um die Verbindung zu verstehen und sowas kann ich gar nicht leiden.

Und dann passiert auch einfach auf so vielen Seiten nichts? Der Klappentext versprach eine besondere Freundschaft, von Evelyn ist dann aber nach der initialen Begegnung einfach 150 Seiten lang nichts mehr zu lesen und auch generell habe ich eine Verbindung zwischen ihr und Ulysses erst ab der Hälfte gespürt. Da haben andere Beziehungen für mein Empfinden mehr Raum eingenommen. Das ist ja an sich auch kein Problem, aber da haben mir Klappentext und Anfang einfach etwas anderes versprochen. Wie sich die beiden jahrelang jeweils knapp verpassen hat mich kurz mitfiebern lassen, aber dann spielte die Freundschaft in meiner Wahrnehmung direkt wieder eine zu kleine Rolle.

Manche haben den Humor positiv erwähnt - so wirklich fühle ich auch den nicht. Einige Situationen sind zwar irgendwie absurd und damit lustig, aber dann kommt wieder eine gähnend langweilige Erzählung, die den Humor für mich zerstört. Ich war einfach überwiegend gelangweilt und phasenweise richtig sauer, weil ich nicht verstehe, wie hier gut 520 Seiten gefüllt werden mussten.

Insgesamt finde ich schon, dass die Geschichte Potenzial hat. Wer eine ausschweifende und poetische Sprache wirklich mag, hat vielleicht auch Freude mit dem Buch. Die Figuren fand ich nur sehr bedingt nahbar und das wiederum wirklich schade, weil auch sie grundlegend sehr interessant sind. Die kunstgeschichtlichen Ausführungen zwischendurch fand ich auch total langwierig, das Thema interessiert mich aber auch einfach nicht. Am Ende hätte ich mir wirklich noch deutlich mehr Hintergrund zu Evelyn gewünscht, denn im Laufe der Geschichte wurden ab und zu weitere Aspekte ihres Lebens angedeutet, die dann keinen Raum mehr bekommen haben.

im Shop ansehen weitere Rezensionen von

Hallo, du Schöne von Ann Napolitano

Keine Liebe ab Seite 1, aber eine, für die es sich lohnt dranzubleiben!

Nicht, dass dieser Roman noch Werbung benötigen würde. Aber ich war am Anfang fast etwas ernüchtert, weil ich mich doch erstaunlich schwer damit getan habe, eine Beziehung zu den Figuren aufzubauen. Umso froher bin ich, dass ich über das erste Viertel hinaus weitergelesen und den Charakteren eine Chance gegeben habe.

Denn dann hat es mein Herz richtig auseinandergenommen.

„Hallo, du Schöne“ - kein unangenehmer Spruch übrigens, aber findet das mal selbst heraus - dreht sich um die vier Padavano-Schwestern Julia, Sylvie, Emeline und Cecelia sowie William, der als gerade Erwachsener in die Familie aufgenommen wird, weil seine Eltern ihn de facto aus ihrem Leben gestrichen haben. Ann Napolitano hat sich von „Little Women“ inspirieren lassen und das ist deutlich zu spüren. Das Band der Schwestern ist unbeschreiblich eng, ihre Liebe zueinander unendlich groß. Im Laufe der Geschichte passieren aber Dinge, die dieses Band auf die Probe stellen und sogar zum Reißen bringen. Primär spielt das Buch im Chicago der 80er-Jahre, nimmt zum Ende hin zeitlich aber schnell Fahrt auf und reicht dann bis ins Jahr 2008, wo die Geschichte ihr traurig-schönes Ende findet.

Ich mag Perspektivenwechsel und zeitliche Verläufe sehr gern. Trotzdem habe ich mich bei aller freudiger Erwartung zu Beginn schwer getan. Zum einen umfassen die einzelnen Kapitel/Perspektiven jeweils einen mehrmonatigen oder mehrjährigen Zeitraum, welcher sich manchmal leicht überschneidet. Da ich immer darauf geachtet habe, wo genau wir uns jetzt befinden, hat mich das wiederholt aus dem Konzept gebracht. Auch konnte ich William zu Beginn einfach nicht sonderlich leiden, ich fand ihn so düster in seinen Gedanken und das insgesamt schwer aushaltbar. Nach einem Schlüsselerlebnis habe ich ihn aber endlich verstanden und ab da ging es bergauf. Neben seiner lesen wir Julias, Sylvies und später Alice’ Perspektive (Tochter von pssst). Julia bricht den Kontakt zu ihren Schwestern wegen eines weiteren Ereignisses für viele Jahre ab und kommt deshalb im weiteren Verlauf nicht mehr so oft zur Sprache. Das fand ich gut, denn ich mochte ihre Figur nicht besonders.

Das Buch hat für mich etwas Besonderes geschafft: Obwohl ich lange dachte, die Charaktere sind mir zu anstrengend und irgendwie nicht sonderlich tief, war ich nach dem ersten Viertel komplett invested, habe mitgefiebert und sehr mitgelitten. Die Liebe zwischen den Figuren ist greifbar und hat mein Herz aua-heile gemacht. Sprachlich würde ich das Buch als melancholisch mit poetischen Anklängen bezeichnen. Mit Letzterem habe ich normalerweise große Probleme, hier fand ich es aber in einem total schönen Maß angewandt. Die Geschichte wirft Fragen darüber auf, was (traumatisierte) Eltern an die nachfolgende Generation weitergeben und das hat mich an einigen Stellen betroffen, aber auch wütend gemacht. Außerdem geht es um Liebe über ein romantisches Maß hinaus, um Vergebung und um die Gleichzeitigkeit von Leben und Tod. Wer fühlen will und gewillt ist, sich auf die Geschichte einzulassen, wird hier ganz viel gewinnen können.

im Shop ansehen weitere Rezensionen von

Treibgut von Adrienne Brodeur

Ein nächstes Jahreshighlight!

Ehrlicherweise hätte ich den Weg zu diesem Buch ohne die Leseprobe und ein anschließendes Rezensionsexemplar wohl eher nicht gefunden. Aber wie FROH bin ich, dass es so gekommen ist. Das Buch hat mich richtig begeistert und reiht sich in meine bisherige TOP 5 für dieses Jahr ein.

Bei „Treibgut“ handelt es sich um einen Familienroman und wir begleiten die einzelnen Charaktere in wechselnden Perspektive (was ich sehr liebe).

Wir haben zum einen Adam, einen bald pensionierten Walbiologen, der zum einen an einer bipolaren Störung und zum anderen unter seiner drohenden Bedeutungslosigkeit leidet. Seine Kinder Abby (eine Künstlerin, die bald ihr erstes Kind erwartet) und Ken (erfolgreicher Immobilienunternehmer mit einer kriselnden Ehe) haben eine komplizierte Beziehung zueinander, aber auch zu ihrem Vater. Hinzu kommen Steph, deren eigene Familie durch ein enthülltes Geheimnis durcheinandergebracht wird, und Jenny als Kens Ehefrau und Abbys beste Freundin.

Klingt viel und komplex, ist es auch. Aber die Autorin schafft es, dass Lesende den Faden nicht verlieren, sondern in die Handlung hineingezogen werden. Die beiden Männer struggeln nicht nur mit ihren eigenen Problemen, sondern auch mit der sich verändernden Welt, welche die Machtposition von Männern hinterfragt. Mit ihrer dargestellten Grandiosität und der Ablehnung von Gesprächstherapie oder Unterstützung im Allgemeinen erfüllen sie einige (realistische) Klischees. Ich fand die beiden fast durchgängig schwer zu ertragen und konnte dennoch an einigen Stellen durch geschickt geschriebene Ambivalenz mit ihnen mitfühlen. Die Frauenfiguren waren mir deutlich sympathischer. Sie alle kämpfen sich in irgendeiner Form frei - mal von kleineren, mal von größeren Abhängigkeiten - und stehen zudem auch zueinander in komplexen, aber gesunden Beziehungen. Im Laufe der Handlung lernen wir, dass besonders die Geschwisterbeziehung von Ken und Abby weit düsterer ist, als es zu Beginn scheint. Hier werden Geschehnisse angedeutet, die mir den Magen umgedreht haben.

Ein besonderes Highlight war Adams Geburtstagsparty kurz vor Schluss. In diesem Kapitel fließen nämlich alle Perspektive ineinander und überlagern sich. Dadurch bekommt dieser inhaltliche Höhepunkt noch einmal ein ganz spezielles Tempo.

Großartig verstrickter Roman mit vielschichtigen Figuren und spannenden Entwicklungen bis zum Schluss. Ich habe ihn sehr geliebt und hatte ein kurzweiliges Lesevergnügen mit ihm.

im Shop ansehen weitere Rezensionen von

That Girl von Gabriella Santos de Lima

Eine Geschichte über Männer, Selbstoptimierung und Freundinnen mit absoluter Sogwirkung

Die Autorin kannte ich bislang nicht, aber das Cover in Kombination mit dem Titel hat mich sofort neugierig gemacht, weil mir das Konzept "That Girl" in feministischen Kreisen schon begegnet ist.
Die Geschichte hat eine extreme Sogwirkung entfaltet, ich habe das Buch innerhalb eines Tages gelesen.

Die verschiedenen Textformen (Chats, Manuskriptausschnitte, normale Erzählung) machten das Lesen leicht und abwechslungsreich. Das Titelthema wird in meinen Augen ausreichend dargestellt und kritisiert. Es nimmt jedoch bei Weitem nicht die komplette Geschichte ein. Vielmehr geht es um toxische Beziehungen und Dating, vor allem aber auch um Freundinnenschaft. Die Protagonistin ist vielschichtig, ihre Freundinnen hätten für mich noch ausführlicher dargestellt werden können.
Vor allem die zentrale Beziehungsgeschichte ist so geschickt geschrieben, dass ich selbst nicht wusste, ob das ungute Bauchgefühl nun berechtigt ist oder nicht. Die Loyalität der Freundinnen hat sich währenddessen immer wie eine liebevolle Umarmung angefühlt.
Alle, die Wut auf Selbstdarstellung, übersteigerte Optimierungsansprüche und Männer haben, werden hier eine tolle Lesezeit haben.

im Shop ansehen weitere Rezensionen von

Wir sitzen im Dickicht und weinen von Felicitas Prokopetz

Authentische und emotionale Geschichte über Mutter-Kind-Beziehungen

Das Cover ist einfach so wunderschön gestaltet und der Titel hat mich schon vor dem Lesen berührt.

Super geschickt spinnt die Autorin die verschiedenen Realitäten über 3 Generationen hinweg zu einer Geschichte zusammen. Dabei liegt der Fokus auf den Müttern und den Wunden, die intergenerational weitergegeben werden.

Alle wollten es wohl besser machen als ihre Mütter, aber es zeigt sich, dass Gewalt, Vernachlässigung und gesellschaftliche Erwartungen nicht so leicht abzulegen sind.
Das Buch hat mich im Inneren sehr bewegt. Der Schmerz und das Missverständnis der Frauen sind so greifbar, dass mensch unweigerlich über die eigene Beziehung zur Mutter oder einem entsprechenden Elternteil nachdenkt. Die Figuren sind sehr authentisch und bieten für ganz verschiedene Leser*innen eine Identifikationsmöglichkeit.

Ich empfehle den Roman allen, die sich nicht davor scheuen, die eigene Beziehung zur Mutter zu reflektieren und die Geschichten auf mehreren Zeitebenen mögen.

im Shop ansehen weitere Rezensionen von

Yellowface von R. F. Kuang

Herausfordernd & ambivalent

Bislang habe ich mich mit noch keiner Rezension so schwer getan wie mit der zu „Yellowface“. Meine Erwartungen waren durch starkes Marketing und den Erfolg der Original-Ausgabe enorm hoch. Und weil ich davon ausging, dass es ein Easy-Read mit moralischer Dimension wird, waren diese Erwartungen zum Scheitern verurteilt.

(Abgesehen von der Umschlagsgestaltung, wie genial ist die bitte?! ????)

Denn wenn „Yellowface“ eins nicht ist, dann einfach. Das liegt nicht an der Sprache, sondern an der Wucht an Ambivalenz. Die weiße Protagonistin June stiehlt nach dem Tod ihrer wesentlich erfolgreicheren, chinesisch-amerikanischen Freundin Athena deren Manuskript, schreibt es um und veröffentlicht es. Es wird ein Bestseller, aber auf den Erfolg folgen die ersten Kritiken, Zweifel und Drohungen. Die Handlung ist immer wieder von thrillerartigen Elementen durchzogen. Das Ende fanden einige Menschen wohl vorhersehbar, ich nicht und mich hat es persönlich auch nicht ganz zufriedengestellt.

Nicht nur die Protagonistin ist ziemlich unsympathisch, auch die anderen Charaktere lassen sich nicht wirklich moralisch klar einordnen. Und das macht das Buch nicht nur zu einer Kritik am Literaturbetrieb, an kultureller Aneignung und Cancel Culture, sondern in meinen Augen vor allem zu einem Werk stetiger Hinterfragung der eigenen moralischen Wertung und des persönlichen Verständnisses. Was ist Satire, was ist reale Ambivalenz? An welchen Stellen manipuliert June unser Urteil, wo ist Mitgefühl vielleicht angebracht? Ich bin davon überzeugt, dass alle Lesenden zu einer (leicht) unterschiedlichen Bewertung kommen. „Yellowface“ fand ich wirklich herausfordernd bis anstrengend und dennoch wichtig zu lesen. Sich mit anderen dazu auszutauschen ist wahrscheinlich sehr zu empfehlen. ????

im Shop ansehen weitere Rezensionen von

Alles gut von Cecilia Rabess

Nuancierter Gesellschafts-/Liebesroman und absolutes Highlight!

Was für ein großartiger Roman, ich bin nur so durchgeflogen - schon jetzt unter meinen Top 3 dieses Jahr!
Das Cover ist rückblickend einfach so gut gewählt, weil es auf seine schlichte Art irgendwie schön und traurig zugleich ist - genau wie der Inhalt.

Protagonistin der Geschichte ist Jess.

In ihrem ersten Job bei Goldman Sachs ist sie die einzige Frau und die einzige Schwarze - eine Kombination, die es ihr alles andere als leicht macht. Der Roman dreht sich aber gar nicht in erster Linie um ihre Diskriminierungserfahrung, auch wenn mensch beim Lesen trotzdem ein gutes (beklemmendes) Gefühl dafür bekommt. Vielmehr ist „Alles gut“ eine Enemies-to-Lovers-Geschichte mit einem ausgeprägten gesellschaftskritischen Blick. Denn in ihrem Job trifft Jess nach der Uni wieder auf Josh, der auf den ersten Blick ihr Gegenteil zu sein scheint: weiß, mittelständig, männlich, konservativ. Das klingt verdammt unattraktiv, I know, aber ich muss sagen, dass die Autorin ein unfassbares Talent für ihre Charaktere hat. Ich sympathisiere überhaupt nicht schnell mit männlichen, konservativen Figuren, bei Josh ist das aber passiert. Manche Leser*innen fanden wiederum Jess unsympathisch, weil zu emotional. Dem kann ich nicht zustimmen, ich halte ihre Emotionalität zumindest überwiegend für eine verständliche Reaktion auf ihre Erfahrungen. Der Roman wirft für mich sehr differenziert die Frage auf, wie sehr eine Person gesellschaftliche Missstände sachlich und analytisch betrachten kann, wenn sie selbst unter ihnen leidet - und ob diese Betrachtung nun wertvoller ist als eine Reaktion aus Betroffenheit heraus.

Beide Protagonist*innen sind unfassbar vielschichtig geschrieben. Ich konnte mich sehr gut in sie einfühlen, beide sind mehr als die Summe ihrer (politischen) Einstellungen und haben trotz aller Unterschiede eine Menge Gemeinsamkeiten, gleichzeitig rollten sich mir an manchen Stellen die Fußnägel hoch. Sei es wegen rassistischer Einstellungen von Josh oder wegen konfliktvermeidenden Verhaltens von Jess. Ein extrem nuanciertes Buch, das es schwer macht, sich klar auf eine Seite zu schlagen und dafür plädiert, sich nicht in Echokammern zurückzuziehen ohne dabei diskriminierende Einstellungen unkritisch zu billigen. Das Ende strotzt nur so vor Spannung aufgrund ungelöster Konflikte, was durchaus etwas unzufriedenstellend ist für harmoniebedürftige Wesen, aber irgendwie auch eine Realität von Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten abbildet. In meinen Augen ein verdammt gutes Debüt und eine absolute Leseempfehlung.

im Shop ansehen weitere Rezensionen von

Weiße Wolken von Yandé Seck

Wichtige Themen, aber für mich kein rundes Buch

Ich hatte von anderen Rezensionen und der Inhaltsangabe große Erwartungen an den Roman, die konnten aber leider nicht erfüllt werden, obwohl ich das wirklich gern gewollt hätte.

Es geht in „Weiße Wolken“ um die Schwestern Zazie und Dieo, beide Schwarz, aber darüber hinaus sehr verschieden in ihren Lebensstilen.

Während die ältere Schwester Dieo bereits drei Kinder hat, mit Simon verheiratet ist und eine Ausbildung zur Psychoanalytikerin macht, hat Zazie gerade ihr Studium beendet, ist zögerlich beim Eingehen einer romantischen Paarbeziehung und plant eine akademische Karriere mit aktivistischen Elementen. Sie ist es auch, die besonders viel Wut in sich trägt, welche sich z. B. im Kontakt mit ihrem sexistischen Vorgesetzten in einem Jugendzentrum zeigt, doch ebenso auch in ihrem Privatleben. Sowohl das spießbürgerliche Leben ihrer älteren Schwester als auch deren Mann Simon, welcher als mittelalter weißer Mann in der Techbranche arbeitet und damit im Kern einer Kapitalismuskritik steht, sorgen immer wieder für Reibungspunkte mit Zazie.

Ich habe mich ziemlich durch die Handlung gekämpft. Wandelnde Perspektiven mag ich eigentlich sehr gern, aber hier kam aus mir bis zum letzten Viertel unklaren Gründen auch noch Simon als dritte Perspektive dazu, obwohl es doch primär um die Schwester gehen sollte. Gleichzeitig spielen in den drei Perspektiven dann aber auch noch weitere Charaktere eine größere Rolle und trotzdem (oder genau deshalb) bekam ich die einzelnen Figuren charakterlich einfach nicht zu greifen. Ich habe kein wirklich gutes Gefühl für ihre Probleme oder Beziehungen zueinander bekommen, weil alles so fragmentarisch war. Im letzten Viertel kam es dann erst zu dem im Klappentext erwähnten Todesfall und ab da war die Handlung auch stringenter für mich. Damit habe ich dann auch endlich ein konkreteres Bild der drei Protagonist*innen bekommen.

Das Ende kam mir eindeutig zu sehr gewollt. So schön ich es an sich auch finde, der Sinneswandel Zazies war für mich bei aller Vorgeschichte überhaupt nicht nachvollziehbar und auch die am Ende geschilderten Beziehungen zwischen allen Figuren haben für mein Empfinden nicht zur Handlung davor gepasst. Da war mir ein viel zu großer Bruch drin und in Kombination mit dem fragmentarischen Aufbau der Figuren, der teils akademischen Sprache und den vielen Charakteren ist der Roman einfach nichts für mich. Vielleicht war das Ziel gerade, die Figuren nicht so klar zu zeichnen, um sie in ihrer Komplexität abzubilden. Dafür wäre für mich aber eine mitreißende Handlung notwendig, um trotzdem dran zu bleiben, und das war hier leider nicht durchgängig der Fall.

im Shop ansehen weitere Rezensionen von